Berlin, 22. März 2010
Liebe D.
Authentizität kann ich nicht verwechseln, weil ich nicht an sie glaube. Ein Wackelbild, von mir aus.
Deine shootings (von mir) sind mir zu schräg, egal, ob Du das Wort nun passend, ruppig, U20 oder authentisch gestylt findest. Oder disney. Oder, ach ja, lustig. Sowieso zu berlin.
Oder brauchst Du einen Stachel.
Daphne, wir müssen uns nicht schreiben. Nicht tauschen. Ich hatte wohl so ein Bild von Dir.
Überleg’s Dir und spiel nicht die Überlegene. Lustige Projektionen gibt es nicht. Ich soll Dich schön grüßen von Minni Maus,
edda.
edda b. - 22. Mär, 12:47
Dortmund, 22. März 2010
Edda,
danke. Ich habe so gelacht. Kann ich dich als Stimmungskanone bunkern? Fürs Lassen bin ich auch. Geht’s dir nie dreckig da drüben. Ich gucke übrigens gar nicht mehr fern, wenn Du’s genau wissen willst, und zwar präzis seit Herbst 2001. Muss keiner verstehen. Die lustige Panne im TV ist immer das Scheitern der anderen. Wer pflegt den hohen Ton, über den Dingen. Alltag beispielsweise. Einkaufen, putzen, kochen, jobben, trösten, ermuntern, ermahnen, alles gleichzeitig und unstet, wie bei Wackelbildern (nicht verschwundene Freuden meiner Kindheit). Ja, an Tanjas Sinnsprüche kann ich mich erinnern. War mir immer zu belehrend. Eklatanter Mangel an Präzision und Mehrdeutigkeit ihrerseits. Das ist überheblich. Verwechselst du ruppig mit authentisch. Nirgends gibt’s so viel Akademiker wie in Berlin? Und jede Wette: Ihr bleibt unter euch. Auch in Neukölln. Beweis mir das Gegenteil. Wieviele Nichtakademiker kennst du. Fährst du Rad, Auto, oder U-Bahn. Das Raue ist auch eine Form von Künstlichkeit. Das Gefallen daran Schleiertanz. Was hast du nur immer mit deinem Berlin. Disneyland für hoch- und geringverdienende Intellektuelle. Ich lad dich ein. Sitzen zwei in der Straßenbahn. Stehen fünf an der Ecke. Sagt die Mutter: Du hebst dat jezz auf oder et gibt was inne Fresse. Tauschen vor laufenden Kameras, nee danke.
Ansonsten und trotzdem: Touché. Vorwürfe dieser Art kenn ich vom pubertierenden Nachwuchs. U 20 sozusagen, und die wissen, wohin sie die Stachel setzen müssen. Einer hat einmal gesagt: Stachel sofort zurück. Ein wahrer Freund. Ich mochte die Sprüche aus dem Mund meiner Groß-, deiner Urgroßmutter. Allerdings: Sie hatten gern einen rassistischen ebenso wie chauvinistischen Untergrund. Hitlers Berghaus, als Fotografie, hing neben der Kellertreppe. Hat Tanja dir das gesagt. Wurde nie abgehängt. Galt als harmlos. Wir hatten die dicksten Teppiche. Kasper seine Frau kam aus dem Osten und hatte keinen Geschmack.
Es freut mich, dass ich dich erfrischt habe, seinerzeit. Erst solltest du Juana heißen, aber du habest stirnrunzelnd aus dem Strampler geschaut, sagte Tanja, da habe sie es sich anders überlegt.
Tante D.
Daphne D. - 22. Mär, 09:44