vertigo
Berlin, 7.3.2010
liebe Daphne
In einem Kreuzberger Hinterhof, Backstein-Mauern, ich such den Eingang zur Performance von f., werde auf Englisch angesprochen. Mir ist kalt, da mir fallen keine Worte ein. In Englisch. Dann bin ich ohne Sprache und fremd in meiner Heimatstadt, sagen wir Geburtsstadt. Sorry.
Der Ozean ist im zweiten Stock. Ein Film an der Wand, f. liegt auf einem Felsvorsprung, unter ihr das Meer, über ihr der Himmel. Wie ein Sandwich zwischen Wasser und Luft. Kennst Du die Loreley, frage ich f. How is it spelled, sagt f.
Sie legt sich einen Tag lang auf dem Bauch auf den Felsen, dann verlässt sie die Heimatküste, Australien. Mitten im Raum steht ein Bock, a vaulting horse. Niemand springt rüber. Der Ozean, sagt f., ist Weite und die Grenze. Ich hab das Meer nie als Grenze begriffen. Westberliner sind dauernd nach Sylt gefahren, unsere kürzeste Verbindung zur Grenzenlosigkeit, früher. How was it for you when the wall fell down. Ich bin ein born-and-bred Berliner, wusstest du das, so nennt man mich hier. Echt. Zur Zeitzeugenschaft verpflichtet. F. legt sich auf die Grenze aus Stein, between boredom and fear, sagt f., sie hat Vertigo. Die Blutbahnen auf ihrem Handrücken sind sichtbar, sind blau, tätowiert. Das Blut zieht schöne Bahnen. (Das Wasser im Körper ließe sich nicht zeichnen.) Die Projektion dauert sieben Stunden. Ich bleibe so lange, wie f. auf der Grenze verharrt. Das Meer bewegt sich, die Wolken ziehen, das Licht wechselt die Farben aus, f. bleibt, reckt den Nacken. Fünf Kameras halten sie fest, ein Schutzschild. f. sagt, sie hat ihre Höhenangst verloren. Kein Verlust. F., denke ich, würdigt die Grenze. Die Schwerkraft der Grenze, jede Überwindung ein Abschied. Das Überwinden von Grenzen ist doch kein Hobby. Heute ist Oscar-Nacht und ich will Wache halten, (das Bett ist auch eine Grenze), keep watch. Den Blick behalten, Daphne, wo bist Du. I miss you, sorry. - edda

liebe Daphne
In einem Kreuzberger Hinterhof, Backstein-Mauern, ich such den Eingang zur Performance von f., werde auf Englisch angesprochen. Mir ist kalt, da mir fallen keine Worte ein. In Englisch. Dann bin ich ohne Sprache und fremd in meiner Heimatstadt, sagen wir Geburtsstadt. Sorry.
Der Ozean ist im zweiten Stock. Ein Film an der Wand, f. liegt auf einem Felsvorsprung, unter ihr das Meer, über ihr der Himmel. Wie ein Sandwich zwischen Wasser und Luft. Kennst Du die Loreley, frage ich f. How is it spelled, sagt f.
Sie legt sich einen Tag lang auf dem Bauch auf den Felsen, dann verlässt sie die Heimatküste, Australien. Mitten im Raum steht ein Bock, a vaulting horse. Niemand springt rüber. Der Ozean, sagt f., ist Weite und die Grenze. Ich hab das Meer nie als Grenze begriffen. Westberliner sind dauernd nach Sylt gefahren, unsere kürzeste Verbindung zur Grenzenlosigkeit, früher. How was it for you when the wall fell down. Ich bin ein born-and-bred Berliner, wusstest du das, so nennt man mich hier. Echt. Zur Zeitzeugenschaft verpflichtet. F. legt sich auf die Grenze aus Stein, between boredom and fear, sagt f., sie hat Vertigo. Die Blutbahnen auf ihrem Handrücken sind sichtbar, sind blau, tätowiert. Das Blut zieht schöne Bahnen. (Das Wasser im Körper ließe sich nicht zeichnen.) Die Projektion dauert sieben Stunden. Ich bleibe so lange, wie f. auf der Grenze verharrt. Das Meer bewegt sich, die Wolken ziehen, das Licht wechselt die Farben aus, f. bleibt, reckt den Nacken. Fünf Kameras halten sie fest, ein Schutzschild. f. sagt, sie hat ihre Höhenangst verloren. Kein Verlust. F., denke ich, würdigt die Grenze. Die Schwerkraft der Grenze, jede Überwindung ein Abschied. Das Überwinden von Grenzen ist doch kein Hobby. Heute ist Oscar-Nacht und ich will Wache halten, (das Bett ist auch eine Grenze), keep watch. Den Blick behalten, Daphne, wo bist Du. I miss you, sorry. - edda

edda b. - 7. Mär, 20:31