Pelle

Dortmund, 6. Mai 2010
Ach Edda,

weißt du, was ich auf die Schnelle gelesen habe: Praxis Leberwurst. Von dir für mich. Was soll das. Dann: Praxis Lebenswurst. Mensch in Pelle, in Darm, jawoll! Gewickelt, gepresst, gezerrt, durchgedreht und eingestampft, abgefüllt und zugebunden. Vielen Dank, hab mich lieb. Zum Fressen gern. Ich muss zum Augenarzt oder: alles besser als Lebenswert. Ein Lob der Kurzsichtigkeit. Unschärfe ist eine herrliche Option für mich. Nach Jahren, in denen ich mit Kontaktlinsen gekämpft habe und sich die Frage nach einer Augenoperation stellte, habe ich nun einfach meine Haltung verändert (Jaja, man kann auch mal eine Rille überspringen oder auf der Platte rumkratzen). Die Brille bietet Schutz und Möglichkeiten. Ein Akt der Befreiung.

Filme der Kindheit: Eine Sekretärin liebt ihren Chef, der Chef sieht sie gar nicht, denn sie trägt eine Brille und ihr Haar ist zu einem strengen Knoten nach hinten gekämmt. Einmal stehen sie auf der Straße und reden, er schaut zu ihr hinunter, sie schaut zu ihm hoch, da trifft sie der Scheinwerfer eines Wagens, der Chef löst das Haar, nimmt ihr das Brillengestell ab, dann küsst er sie. Da weißt du alles über meine frühen Jahre.

Der mit dem steifen Arm übrigens zog unsereins, also den weiblichen Familiennachwuchs in kurzen Faltenröcken aus Strick, in Dirndlkleidern, Kniestrümpfen mit Lochstickerei etc. bei jedem Besuch auf sein Bein, Schoß zu sagen wäre nicht korrekt. Tanja und ich mochten das nicht, Weigerung galt als unhöflich und als Zeichen mangelhaften Respekts vor Erwachsenen. Man sah ihm manches nach. Onkel Mick und seine Frau waren kinderlos, so hieß das, geblieben, der steife Arm Folge einer Kriegsverletzung. Das alles riecht noch immer nach Schnäpsen aus perlmuttschimmernden Gläsern in Drahthäfen auf Sofatischen, die mittels einer Kurbel rauf- und runtergefahren werden konnten, zwischen Kissen mit Goldkordelkanten und Brokatbordüren.

Der Glückwunsch kommt verfrüht, ich schrieb: Ich erwarte. Warten ist eine Grundposition, was mich betrifft, ich warte immer auf etwas. Mach mal nicht die Ferne nieder, verteidige die Nähe nicht. Wo bleibt der Abstand? Warum denn in die Ferne schweifen, sieh das Gute liegt so nah. Wohin auch immer, du nimmst ja stets dich selber mit usw. Das sind doch Latrinenparolen, die zum Stillhalten in Spurrillen verdonnern. Hoffe für dich und mich, es gibt mehr als drei Wege. Ich drück dich feste.
Daphné aus D.

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