tütü
Berlin, 27. März 2010
tja, d.
Was hast Du bloß gegen Wackelbilder. Unschärfe-Relationen sind das a und o, so. Ein Bild, das Du nicht festhalten kannst. Das ist doch gut, das ist doch wahr, pure Physik. Vielleicht, als wir uns zuletzt sahen, mochte ich Dein Beben, Du bist überhaupt nicht gebannt.
Daphne, Dein letzter Brief war Dreck. Du gehst, sorry, darüber hinweg. Hältst Du mich für eine Großstadtmieze. U20, für immer, irgendwie. Ich will es gar nicht wissen. Das interessiert mich nicht. Ich suche keine Etiketten. Von Touristen, die im Schnellverfahren ihre Eindrücke bündeln und in Worte verpackt mit nach Hause nehmen, hab ich genug. Von Dir fordere ich ein schwebendes Verfahren. Und rückhaltloses Interesse, wenn ich aus Berlin erzähle, ja, die Stadt beschäftigt mich (wie eine Angestellte). Ich halte Dich nicht für eine Kleinstadtmatrone.
Ich finde Dich komisch. Ich hab nie begriffen, wie Du in einem Haus mit Vorgarten landen konntest, wenn eine sich weigert, Platz zu nehmen, dann Du, dachte ich. Das Bild, das ich von Dir habe, passt gar nicht in das Bild, das ich mir von Dir mache. Ätsch.
Heute spazierte ich durch eine Installation über den Konjunktiv, (natürlich) in Mitte. Vielleicht bin ich Dein Konjunktiv. Verkörperung von etwas Unausgelebtem + das muss disney sein, sonst wäre es schade, hättest Du’s nicht selbst gelebt. Auch in diesem Fall müssten wir die Korrespondenz sofort beenden. Ein Tütü hängt mitten im Raum, über einem tv mit Ballett. Der Text im Bilderrahmen erzählt von dem Mädchen, das mit 3 Jahren vor sich hintanzte und dem Talent bescheinigt wurde, die Mutter war arm. Trotzdem tanzte die Frau, später in Amerika. Jetzt ist sie älter, züchtet in ihrem Garten Gemüse und denkt gern an ihre Zeit als 2. Solo-Ballerina zurück. Etwas ist nicht wahr = Konjunktiv. Lauter solche Geschichten, in Mitte, der Konjunktiv ist der unerfüllte Wunsch, das Unerlebte, reiner Rückblick, Reue. Ich komme mir plötzlich sehr jung vor (was ich nicht bin), weil mir der Konjunktiv der Gegenwart (Traum) und der Zukunft fehlt (Utopie). Weil es interaktiv ist, schreiben Besucher an die Wand. Einer schreibt, in der japanischen Sprache gibt es gar keinen Konjunktiv. Ich will auch was schreiben, einen Spruch, den ich von M. kenne, hätte hätte herrentoilette, aber da steht schon: hätte hätte macht ins bette. Das ist viel besser.
Wie viele Geschichten stecken in einem drin, das Gelebte ist ja nur der Teil, auf den wir festgenagelt werden. Die Installation macht die unsichtbaren Geschichten sichtbar, einer wollte Pilot werden. Da flimmert der Anfang einer Landebahn im Raum.

Daphne, wenn Du mich noch einmal festnagelst, sehen wir uns auf dem nächsten Familientreffen wieder und geben uns förmlich die Hand. Ich überlege, wieso ich Dir schreibe. Und wenn ich es wüsste, schriebe ich Dir vermutlich nicht. Ich bin nicht besonders planvoll, das wäre instrumentell. We’ll see, für heute: edda.
ps. König Drosselbart musste ich googlen, ich hab sehr gelacht. ER: Fürchte dich nicht, dir zuliebe habe ich mich so verstellt. Das alles ist geschehen, um deinen stolzen Sinn zu beugen und dich für deinen Hochmut zu strafen, womit du mich verspottet hast.
Sie entschuldigt sich und die beiden heiraten.
Her mit den Bestrafungen. Ich will auch einen kostümierten Richter, der meinen Charakter dort verbrennt, wo er nicht gesellschaftsfähig ist. Diese großstädtische Toleranz puffert ja alles ab. – Nein, wie schrecklich, Enid Blyton wird neu übersetzt, um das Mädchen-Jungs-Schema aufzuweichen. Die Märchen aber bleiben, ist ja Hochkultur, Erbe, Tradition. – Was tun?
tja, d.
Was hast Du bloß gegen Wackelbilder. Unschärfe-Relationen sind das a und o, so. Ein Bild, das Du nicht festhalten kannst. Das ist doch gut, das ist doch wahr, pure Physik. Vielleicht, als wir uns zuletzt sahen, mochte ich Dein Beben, Du bist überhaupt nicht gebannt.
Daphne, Dein letzter Brief war Dreck. Du gehst, sorry, darüber hinweg. Hältst Du mich für eine Großstadtmieze. U20, für immer, irgendwie. Ich will es gar nicht wissen. Das interessiert mich nicht. Ich suche keine Etiketten. Von Touristen, die im Schnellverfahren ihre Eindrücke bündeln und in Worte verpackt mit nach Hause nehmen, hab ich genug. Von Dir fordere ich ein schwebendes Verfahren. Und rückhaltloses Interesse, wenn ich aus Berlin erzähle, ja, die Stadt beschäftigt mich (wie eine Angestellte). Ich halte Dich nicht für eine Kleinstadtmatrone.
Ich finde Dich komisch. Ich hab nie begriffen, wie Du in einem Haus mit Vorgarten landen konntest, wenn eine sich weigert, Platz zu nehmen, dann Du, dachte ich. Das Bild, das ich von Dir habe, passt gar nicht in das Bild, das ich mir von Dir mache. Ätsch.
Heute spazierte ich durch eine Installation über den Konjunktiv, (natürlich) in Mitte. Vielleicht bin ich Dein Konjunktiv. Verkörperung von etwas Unausgelebtem + das muss disney sein, sonst wäre es schade, hättest Du’s nicht selbst gelebt. Auch in diesem Fall müssten wir die Korrespondenz sofort beenden. Ein Tütü hängt mitten im Raum, über einem tv mit Ballett. Der Text im Bilderrahmen erzählt von dem Mädchen, das mit 3 Jahren vor sich hintanzte und dem Talent bescheinigt wurde, die Mutter war arm. Trotzdem tanzte die Frau, später in Amerika. Jetzt ist sie älter, züchtet in ihrem Garten Gemüse und denkt gern an ihre Zeit als 2. Solo-Ballerina zurück. Etwas ist nicht wahr = Konjunktiv. Lauter solche Geschichten, in Mitte, der Konjunktiv ist der unerfüllte Wunsch, das Unerlebte, reiner Rückblick, Reue. Ich komme mir plötzlich sehr jung vor (was ich nicht bin), weil mir der Konjunktiv der Gegenwart (Traum) und der Zukunft fehlt (Utopie). Weil es interaktiv ist, schreiben Besucher an die Wand. Einer schreibt, in der japanischen Sprache gibt es gar keinen Konjunktiv. Ich will auch was schreiben, einen Spruch, den ich von M. kenne, hätte hätte herrentoilette, aber da steht schon: hätte hätte macht ins bette. Das ist viel besser.
Wie viele Geschichten stecken in einem drin, das Gelebte ist ja nur der Teil, auf den wir festgenagelt werden. Die Installation macht die unsichtbaren Geschichten sichtbar, einer wollte Pilot werden. Da flimmert der Anfang einer Landebahn im Raum.

Daphne, wenn Du mich noch einmal festnagelst, sehen wir uns auf dem nächsten Familientreffen wieder und geben uns förmlich die Hand. Ich überlege, wieso ich Dir schreibe. Und wenn ich es wüsste, schriebe ich Dir vermutlich nicht. Ich bin nicht besonders planvoll, das wäre instrumentell. We’ll see, für heute: edda.
ps. König Drosselbart musste ich googlen, ich hab sehr gelacht. ER: Fürchte dich nicht, dir zuliebe habe ich mich so verstellt. Das alles ist geschehen, um deinen stolzen Sinn zu beugen und dich für deinen Hochmut zu strafen, womit du mich verspottet hast.
Sie entschuldigt sich und die beiden heiraten.
Her mit den Bestrafungen. Ich will auch einen kostümierten Richter, der meinen Charakter dort verbrennt, wo er nicht gesellschaftsfähig ist. Diese großstädtische Toleranz puffert ja alles ab. – Nein, wie schrecklich, Enid Blyton wird neu übersetzt, um das Mädchen-Jungs-Schema aufzuweichen. Die Märchen aber bleiben, ist ja Hochkultur, Erbe, Tradition. – Was tun?
edda b. - 27. Mär, 23:22