Montag, 20. September 2010

Vielleicht, XXL

Dortmund, 19. September 2010
Liebe Edda,

ich denke, du kannst wissen, was ich meinte. Denken. Können. Wissen. Meinen. Meins. Nämlich: Wie ließe sich ohne Umwege darüber schreiben, was uns bewegt. Ist es möglich, unter Formulierungen zu ersticken? Du schüttelst den Kopf, nicht wahr, nur das Künstliche ist ehrlich, das vermeintlich Ehrliche, Persönliche ist die größte Fiktion.

Nicht lange her, da war ich Zuschauerin einer Literaturpreisverleihung, die den Namen nicht verdiente. Was als Authentizität in Form direkter Sprache gepriesen wurde, erwies sich im Textvortrag als Synonym für einen nachlässigen Umgang mit dem Material. Nimm es so: Ich bin mit der Art und Weise, wie wir einander schreiben, vielleicht nicht zufrieden. Mir fehlt etwas. Nichtig, nee, neckisch, vielleicht. HAU MICH, wenn du kannst.

Dem Unbedingten gegenüber bin ich misstrauisch, wie du, es wird so oft eingefordert, das ist totalitär. Die Bereitschaft zum Unbedingten wäre der Verzicht auf die eigene Kritikfähigkeit, sowohl in der Liebe, die vielleicht, wie die Sicherheit, eine Männerfantasie ist, da bin ich nicht sicher, als auch. Es riecht nach Unterordnung. Im Zweifelsfall unter den eigenen Willen.

Alles Liebe. Wie das von dir mich aber doch freut. Ich nehm’ es so (oder war es spitzfindig): trotz allem zugeneigt. Und versichere dich desselben. Liebe Edda, bist du einsam und gefällt dir der Schornsteinfeger, sprichst du auch mit der Kassiererin im Lidl oder Plus, erzähl mir nicht, du hättest keine Begleiter, Freundinnen, Liebhaber, da war doch was, vor ein paar Wochen, ich seh dich in einem geistigen Umfeld, das ich entbehre, gute Nacht.

Deine.
Daphne

Donnerstag, 16. September 2010

lauffeuer

Berlin, 16. September 2010
aha..

liebe Daphne. Du fragst, ob ein Vorbild ermutigen kann, ob Reaktion reaktionär ist, ob man sich mit sich selbst abfinden muss und, Trommelwirbel, behauptest, wir schrieben über nichts. Sauber! Heute hab ich keinen Schornsteinfeger gesehn, schreibe ich, um Dein Bedürfnis nach Nichtigkeiten zu bedienen.
Ich müsste fragen, wer meine Ego-Projektion betreibt, bevor ich mich innerlich danach richte und äußerlich danach recke. Ich halte nichts von der Seiteneinteilung in Aktiv und Passiv. Ich fordere eine Abfindung fürs Leben. Und akzeptiere, dass ich für Dich nicht die Instanz bin, die Wichtigkeit oder das Nichtnichts fraglos definiert. Wollen wir jemanden anschreiben und um nichtnichtige Themen betteln?
Ich finde das Nichts ja aufregend wie ein Lauffeuer.
Und Schmerz ein bisschen überbewertet. Behaftet mit dem Gütesiegel der Stiftung Wichtig. Vom Existenziellen dieser Aussage sind zehn unabhängige Gutachter überzeugt. Mein Knie tut weh!, und was schmerzt Dich so..?

Alles Liebe, Deine edda.
ps. Du kennst die Sage, alles Unglück der Menschen rühre daher, dass sie nicht allein in einem Zimmer usf. Ich glaube, es rührt daher, dass sie einander unbedingt kennen lernen wollen.

Pfeif drauf

Dortmund, 16. September 2010
Edda!

Das hast du mir voraus. Dass du auf den Konsens pfeifen kannst, mehr noch, ihn nicht anstrebst. Hut ab, das betrachte ich als Stärke, um die ich dich beneide. Eine Generationsfrage kann es nicht sein: Wie ich Tanja kenne. Ist das Rache. Einmal besuchte ich eine Freundin im November, es war ein schöner Tag, sonnig, der Himmel blau. N. klagte darüber. Sie vermisse ein luzides Grau. Das stehe ihr im November doch zu. Kälte schärft die Konturen. Du bist für die aktuelle Debatte geeignet. Ich versuche, die Dinge schön zu reden. Wenn man die Menschen besser zeigt, als sie sind, ob sie dann ihrem öffentlichen Bild nacheifern werden? Am Frühstückstisch notierte ich zwei Buchtitel und einen Film: Die Hälfte des Himmels. Die große Verschleierung. Women without men. Jetzt weißt du, was mich beschäftigt.

Nach den Kindern musst du nicht fragen. Im Gegenteil. Es gefällt mir nicht, über sie zu schreiben, sie können über sich selbst Auskunft geben. Sie sind darauf besser vorbereitet als unsereins.

Ich bin nicht innovativ. Das ist ein Kummer. Es fiel mir vor kurzem erst in aller Deutlichkeit auf. Wie jetzt: Ich reagiere. Das hieße, ich bin nichts ohne Außen, ohne Gegenüber. Ist das nicht schrecklich? Mir wurde ganz schwindelig. Wie muss man sich mit sich selber abfinden. Du und ich: Wir schreiben über NICHTS. Wir halten allen Schmerz voreinander geheim?

Ich bin sicher, du hast eine gepfefferte Antwort darauf. Von allem ist zu viel, von allem zu wenig.

Yours

Daphne

Dienstag, 14. September 2010

Frau Holle

Berlin, 14. September 2010
Daphne,

so ist es gut. Beschimpf mich, schüttle die Betten aus. Ich glaube schwer an flüchtige Autorenschaft und bin froh, nicht einer Meinung mit Dir zu sein. Ich will nicht konsensorientiert sein!, ich kann mich nicht konzentrieren, wenn ich verständig sein muss. Mit Gesprächskultur kann ich praktisch gar nichts anfangen. Touristen lassen mich schnell von der Leine, how nice, really.
Heute hab ich nur den Schornsteinfeger gesehn.
Tanja will sich Geld von mir leihen und ich frage mich, ob ich mich an ihr rächen will. Ich glaube aber nicht. Das glaubt sie dann sowieso nicht, so oder so will ich sie demütigen oder hängen lassen, also ist es egal. Wenn die Blickrichtung feststeht, kannst Du machen, was Du willst. Ich glaube immer noch nicht an Handlungen, allenfalls an einen Schnitt mit der Scherbe.
Hab ich mich zu wenig nach Deinen Kindern erkundigt? Du könntest mir noch was um die Ohren hauen, ich erwarte den Herbst. Der Sommer ist eine entsetzlich verständige Jahreszeit.
deine e.

Betten ausschütteln

Dortmund, 14. September 2010
Liebe Edda,

spinnst du? Was ist flüchtiger als ein Gedicht dieser Art. Wie Betten ausschütteln nach kurzen Nächten. Fliegendes Schwarz. Sprache, die durch einen hindurchfegt. Überraschende Autorschaft, da ist nüscht gesetzt, alles offen. Jedenfalls von mir aus. Nimm’s doch nicht zu ernst. Dagegen deine Abbildung: Nackte Wahrheit. Das nenn ich bedeutungsmächtig. Kann ich aber voll und ganz unterschrei_en: JAJAJA. So ist es.

Liebe Edda. Schnelle Post. Ich hab zu tun. Nicht nur du brauchst Geld. Aber: Ich freu mich so. Dass du wieder da bist. Ist mir Grund genug.

Von Herzen
Daphne

Lauffeuer

Berlin, 13. September 2010
Daphne,

das Geld war knapp. Und auf Deine S-Linie wusste ich nichts. Ich mag keine Gedichte, jedes Wort beansprucht Bedeutung. AUTORität, ich löse nicht gerne Kreuzworträtsel. Sprechen wir doch nicht die gleiche Sprache? Und wie viel gemeinsamen Grund braucht die Sprache.
Ist Familie ein Sprachboden. Mir kommt Familie wie Sprechbühnen-Theater vor. Bretterböden, und wir rumpeln mit ewig gleichen Rollen darauf rum.
Ich hab viel Schönes erlebt, es fällt mir aber schwer, mich daran zu erinnern. Weißt Du Rat. Oder es ist nur schön, weil es flüchtig ist.
Ja, so ist es.

sec1

Yours, e.

Freitag, 16. Juli 2010

Glasbruch

Dortmund, 16. Juli 2010
Für Edda,

Auf die Schnelle zwei blödsinnig unscharfe Morgen-Notizen aus der S-Serie, ich habe vergessen, wofür das S steht (Sommer?):


S18

Bin schon da
Herbstfrühling überblätternd
Vielliebchen schießt ins Kraut
Wohin der Regen schlägt
Lohnsummenbuchhalterisch

Siehst du wie gelingendes
Gleichmaß auf einen Stein geritzt
Hegelbarthianische Verslieder
Vollbringen Wohlmeinendes

Kein einziges Wort hat Bestand, das nicht
Aus einem angeklebten Arm wie
Vielfach verleimte Existenz
Vom Herzweg her

Ein Glasbruch neben dem Schaufenster
Massenlager auf der Flucht


S19

Rosa lügen
Eine gespaltene
Lebensgeschichte
vor Sonnenuntergang

Vom Bett aus federnd
mit elastischen Armen
ein heiterer Gedanke
streckt sich in den Paraderaum
waghalsiger Betonungen
bis auf den Grund

Auf sagt sie
nach Wohin der Stadt
wo sitzt traumdeuterisch
ein Anfang und wartet



Liebe Edda, Das Hirn schmilzt mir freudig, barfuß bin ich auch, Oskar ist in eine Scherbe getreten, er hielt sie hoch und sagte staunend: so rotes Glas. Erst als er das Blut bemerkte, weinte er.

Tante Daphne mit Herzschmelz

Dienstag, 13. Juli 2010

periphere Charaktere

Berlin, 12. Juli 2010
Daphne..

periphere Charaktere, das reimt sich, das klau’ ich Dir. Drinnen wie draußen sein, je nach Blickrichtung. Immer auf Linie. Unentschieden & beweglich. Ja, dafür brauchste feste Schuhe. Eckensteher Nante wartet an einer Straßenecke auf Gelegenheitsarbeiten und wird zum Original. (Und bringt sich später um.)

Aufbrausen nur nachts: Eine Bewegung = Randalierer zertrümmert Fensterscheiben in Neukölln.
Was ne Glut.
barfuß, edda

Samstag, 10. Juli 2010

Über die Straße

10. Juli 2010
Liebe Edda,

schnelle Bewegungen schärfen den Verstand, sich aufregen hieße zu lange dem einem Augenblick nachhängen, sich schon in der Vergangenheit bewegen, nicht wahr, Lost in Frustration, meinst du das. Gegenwärtigkeit. Östliche Weisheit. Zwetajewa, Marina: Der Gedanke ist ein Blitz, das Gefühl der Lichtstrahl eines weit entfernten Sterns. Was ist das Äquivalent zu bauernschlau. Großstadtkompatibel? Wenn ICH in Berlin bin, denke ich blitzschnell freudig das: Ich bin Berlinkompatibel. Vielleicht lässt sich die Aufregung, das Erzürnen schnell hinausschleudern, zack zack, das Aufbrausende, nicht wahr, könnte ein Signum sein, während der Landfriede langsam gestört wird und sich ebenso langsam dafür hartnäckig ein Widerstand zusammenbraut, jedenfalls sind das bekannte Bilder.

Aber ja, ich verstehe, die Metropole fordert unentwegt schnelle Entscheidungen, was meinst du, wie wir seinerzeit die Geschichten auszuschmücken vermochten in unserem Vorort (ein Dauerzustand wie alle Randständigkeit, periphere Charaktere, gibt es die?), sie ragten steil aus dem Alltag der Hauptstraße, die Großstadt wäre voller Spitzen, mir fiel auf, dass man dort auffallend häufig festes Schuhwerk trägt, auch im Sommer. Merke: Hirnschirm und feste Schuhe für die Stadt. Aber: Das Unbekannte, Unerwartete findet sich natürlich dort wie hier. Neulich ging ich durch diese 600.000 Einwohner Stadt, es fühlte sich wie Kleinstadt an. Ein anderes Mal neulich ging ich durch ein sonntägliches Berlin und dachte: Wie still es hier ist.

Fast die ganze Nacht habe ich im Liegestuhl verbracht, kein komfortables Stück, ein Exemplar für Hartgesottene. Die Nächte draußen zu verbringen (die Tage nicht, die Tage verbringe ich nun am liebsten im Innern) ist ein großes Vergnügen. Ich sah nur ein einziges Flugzeug unter so vielen Sternen.

Du kommst über die Straße, da bin ich sicher.
Yours
Tante Daphne

Montag, 5. Juli 2010

eine Scheidung, ein drogenabhängiger Zahnarzt, ein Ingenieur, der Firmengelder unterschlug

Berlin, 5. Juli 2010
liebe stille Daphne,

na gut, da bist Du wieder, wirklich. Ich will mich daran gewöhnen und Dich immer wieder exotisch finden. Eine Scheidung, ein drogenabhängiger Zahnarzt, ein Ingenieur, der Firmengelder unterschlug... eine Scheidung, ein drogenabhängiger Zahnarzt, ein Ingenieur, der Firmengelder unterschlug.... das könnte ich ewig vor mich hin sagen. Wie erzählbar war Welt, als man sie noch übern Gartenzaun rüber verhandeln konnte, ohne Analyse und System. Ich habe gelernt, allem Erzählbarem zu misstrauen. Hat das auch & schon wieder mit Stadt zu tun?
Georg Simmel:

Der Mensch ist ein Unterschiedswesen, d. h. sein Bewusstsein wird durch den Unterschied des augenblicklichen Eindrucks gegen den vorhergehenden angeregt; beharrende Eindrücke, Geringfügigkeit ihrer Differenzen, gewohnte Regelmäßigkeit ihres Ablaufs und ihrer Gegensätze verbrauchen sozusagen weniger Bewusstsein, als die rasche Zusammendrängung wechselnder Bilder, der schroffe Abstand innerhalb dessen, was man mit einem Blick umfasst, die Unerwartetheit sich aufdrängender Impressionen.
Indem die Großstadt gerade diese psychologischen Bedingungen schafft - mit jedem Gang über die Straße, mit dem Tempo und den Mannigfaltigkeiten des wirtschaftlichen, beruflichen, gesellschaftlichen Lebens - stiftet sie schon in den sinnlichen Fundamenten des Seelenlebens, in dem Bewusstseinsquantum, das sie uns wegen unserer Organisation als Unterschiedswesen abfordert, einen tiefen Gegensatz gegen die Kleinstadt und das Landleben, mit dem langsameren, gewohnteren, gleichmäßiger fließenden Rhythmus ihres sinnlich-geistigen Lebensbildes.


Tja, davon leitet Simmel den intellektualistischen Charakter des Großstädters ab. Denn der Verstand gehöre zu den obersten Schichten unsere Seele und sei deshalb anpassungsfähig. Statt mit Gartenzaun-Gemüt und inneren Erschütterungen spannt der Großstädter seinen Hirnschirm auf. Gestern so, heute so. Wer sich über alles aufregt, kommt nicht über die Straße.
Dabei rege ich mich oft auf. Über Straßenmusikanten, zum Beispiel, wie jede Art von Zwangsbeglückung. Außerdem soll ich als born-and-bred-Berlinerin oft genug die schroffen Abstände in der Stadt mit Geschichten füllen. Dabei ist die Stadt für mich wie ein löchriger Käse, sind zu viele Lücken. Eine Einzelne kann das gar nicht erzählen. Im Rixdorfer Horizont – eine Gesteinsschicht – ist ein Mammut-Unterkiefer gefunden worden. Hier in Neuölln. Ich finde das lustig.
Der Frisör schweigt auch und lacht, als ich die Haare immer kürzer haben will. Ich weiß nicht, ob er mich auslacht, weil er weiß, dass ich sowieso nie eine richtige Frisur haben werde. Wie auch. Gibt so viele. Und, genau, die ganzen Zweifel! Außerdem ist es herrlich egal. Die täglich wechselnden Bilder schützen auch mich, kein Bild verfestigt.
Vorhin hat eine Frau am Steuer umständlich gewendet, hinter ihr wird gehupt. Dann hupt noch einer auf der Gegenfahrbahn (und ich fang an mich aufzuregen). Dann hupt die Frau am Steuer auch und alle dreie lachen. Wie stellt man fest, ob man genügend Verstand für Stadt besitzt? Oder entwickelt der sich automatisch wie'n Sonnenbrand.

von hier... von edda.

Donnerstag, 1. Juli 2010

Rosinen

1.Juli 2010
Edda,

was in die Lücken, die das Schweigen lässt, schlüpfen kann, wissen wir. Wir Frauen, sage ich einmal, mit einem ausgeprägten Hang zu. Zweifel, Selbstbefragung, Fantasma, Emphase. Hab ich etwas falsch gemacht? Verzeih.

Man denkt beim Reden und beim Schweigen. Das Denken beim Schweigen ist asozial oder es geschieht in kollektivem Einverständnis. Dennoch scheint es mitunter keine andere Möglichkeit zu geben. Ich nenne es Verstummen. Schweigen ist etwas Anderes. Lerne schweigen ohne zu strafen, nicht wahr. Schweigen als Befreiung von Konvention ist mir lieb und recht. Verabredetes Schweigen am liebsten. Als Kinder spielten Tanja und ich: Wer von uns beim gegenseitigen Anschauen am längsten schweigen kann, nicht einmal die Miene verzieht, geschweige denn lacht. Ich erinnere keine andere Gelegenheit bei der wir es ausgehalten hätten, uns so ausdauernd in die Augen zu sehen. Ich habe sie um ihren Mund beneidet. Wie geschaffen für spöttische Bemerkungen und Renitenz. Meiner schien mir dagegen nichts weiter als eine Verschlusskappe, irgendwie harmlos.

Wie gerate ich von dort zu deinen Rosinenbombern. Das macht das in-Berlin-Sein aus. Die Anschaulichkeit. Dort. Hier hat sich das meiste unter Tage abgespielt, vielleicht ist das eine entscheidene Prägung, dieses Verschwinden unter der Erde, das Auftauchen. Das staubige Wissen: die Oberfläche = nicht alles. Es liegt keine Wertung darin (das war ein Schimpfwort, seinerzeit, dass eine oberflächlich ist, damit konnte man treffen). Tanja und ich haben in einem Ort gelebt, wie du weißt, auf den nichts von alldem zutraf. Ein ausgedehntes Nichts. Eine breite Hauptstraße wie in den Romanen von Sinclair Lewis, mit wenigen Läden. Der Schornstein einer Fabrik, werkseigene Wohnungen, einige freistehende Häuser. Eine Scheidung, ein drogenabhängiger Zahnarzt, ein Ingenieur, der Firmengelder unterschlug. Das alles kommt mir heute beinahe exotisch vor. Nicht enden wollende Warteschleife.

Hier ist es auf eine angenehme Weise so heiß, dass alles andere als sich dem hinzugeben idiotisch scheint. Flüssigklebstoffliche Zeit. Die Frisöse, gestern, löste sich von der Mauer, gegen die gelehnt sie im geöffneten Fenster zum Hinterhof saß, setzte ein terrierartiges Hündchen vom Schoß auf die Erde und kam mir ohne Eile entgegen. Eine völlig belanglose Szene. Und doch fand ich sie so außerordentlich, auf eine ergreifende Weise lässig, urban, sommerlich, dass sie sich mir als Sequenz eingeprägt hat. Sie sprach nicht viel, was mir angenehm war, aber mitten in das Schweigen hinein sagte sie, sie führe seit Jahren Buch über das Wetter, das dem Siebenschläfertag folge und also würden uns sieben weitere Wochen Sommer bevorstehen.

Jetzt, wo ich bei geöffneten Fenstern den Vögeln lausche, fällt mir der Satz aus einem Theaterstück ein, das ich während unserer stillen Post sah. Die Vögel seien virtuose Ratten, die sich den Singsang angeeignet hätten. Wie soll ich darüber hinwegkommen.

Das Haus füllt sich, ich gehe dorthin, wo die anderen sind. Schick dir ein Pfund Rosinen, süßer Klebstoff. Mit Herz.

Daphné

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